Es lebe das l'art pour l'art...es lebe das Leben!

Nun gehe auch ich ins Netz, allerdings nicht ohne die tatkräftige Unterstützung meines fähigen Webmasters Robin Weingärtner. Die Zusammenarbeit lief bestens. Sehr schnell kapierte Monsieur Robin, dass ich keinen Wert auf eine geschleckte Website legte. Mir geht es um Kunst und Prozesse und nicht um Styling. Wochenlang vorher habe ich Künstlersites weltweit angeschaut. Hier stimmt die virtuelle Galerie mit der Kunstszene der Wirklichkeit überein: die Zeiten sind schwierig geworden, Kommerz und Show sind eingezogen. Das Flimmern und Tanzen mancher Namen und Bilder erinnern eher an Deo-Reklamen. Die museale cleane Ästhetik der Seriösen-Sites gibt es auch noch, wobei sie oft leicht verstaubt wirkt. Und doch! Ab und zu eine freudige, lebendige Entdeckung und eine klasse Bereicherung. Diese KollegInnen werde ich unter meinen Links gerne weiter empfehlen.

Als Amerikanerin bin ich fein raus und leide nicht so stark unter dem "Old Europe" Dünkel- und Schubladendenken. Für mich ist Eklektizistisch kein Schimpfwort. Anything goes, Hauptsache echt. Diese Website strahlt den gleichen Reiz für mich aus wie ein Bild an der Staffelei oder eine Setting für eine Performance. Das Netz ist das Atelier, ist die Bühne. Die Arbeitsmethode bleibt: spontan, intuitiv, abwartend und lustbetont. Es gibt zwei Hauptunterschiede: mehr Technik (=spannende Auseinandersetzungen mit anderen fähigen Helfer, die auch im Gesamtprozess mitmischen) und mehr Zuschauer (ebenfalls vernetzt durch Mails).

Und jetzt mache ich quasi den virtuellen Vorhang auf, obwohl auf der Bühne die Putzfrau den Boden noch wachst, die Requisiten noch reingetragen werden, die Licht- und Soundtechnik überprüft wird und ein paar Komparsen in der Ecke ihre Rollen noch besprechen. Mit anderen Worten, diese Site ist nicht fix- und- fertig, sondern "open for game" . Auf dieser Spielwiese darf ich mal Putzfrau, Sopranistin oder sogar Zuschauerin sein.

Ein paar Gedanken zu meiner Arbeit: Ich kann schon einiges, aber eins kann ich nicht: gelangweilt arbeiten. Das ist wahrscheinlich der Hauptgrund, warum ich die Mixtur von Malerei, Performance, Schreiben, Photographie und Workshops bevorzuge. Mir ist die Spannung heilig: die Disziplin der Lust. So verstehe ich "l'art pour l'art". Kennen Sie den Begriff "fuzzy logic"? Der Klang und die Bilder, welche dieses Wort bei mir hervorruft sind unwahrscheinlich. Daraus habe ich "fuzzy creativity" entwickelt "Connecting", habe ich es im englischen Vorwort genannt.

Und warum male ich? Ich setze gerne Dinge in Beziehung, oder besser gesagt, ich entdecke gerne, wie die Dinge zueinander in Beziehung stehen: Farben, organische und anorganische Materialien, Eindrücke, Philosophien, Sinn-Erlebnisse, Menschen, Kaffeetassen. Der englische Begriff "connecting" (=in Beziehung setzen) ist hier passender als "networking" (=vernetzen). Mit "networking" verbinde ich Zweck und Ziele. "Connecting" hat wiederum mit Wahrnehmung zu tun. Kunst kann nur l'art pour l'art sein. A Rose is a rose is a rose. Kunst, instrumentalisiert oder mit einem Ziel gekoppelt, verliert ihr Wesen. Die Kunst, wie die Mystik, ist auf der Sein-Ebene zu finden. Kunstmachen heißt auch, den ewigen Spagat zu vollziehen: die Bilder, die Komposition, das Drehbuch zu verkaufen aber nicht die Seele. Kunst und die Börse verhalten sich ähnlich zueinander wie guter Sex zu Prostitution.

Mein Leben hat mich gelehrt, dass alles mit allem verbunden ist: Zeit zum Raum zum Babygeschrei nebenan und zu der Mülltonne hinter dem Haus. PhysikerInnen wissen davon, MathematikerInnen auch. Und für uns Künstler ist diese Wahrheit die Manna unseres schöpferischen Tuns. In meinen Workshops helfe ich den TeilnehmerInnen ihre Verbundenheit zu erleben. Meine Methode ist, keine Methode zu haben, bzw. im Fluss zu bleiben mit der Idee von "connecting". Das heißt eigentlich: warten und spielen. Menschen können lernen mit ihren Knien zu lachen und mit ihren Ohren zu weinen, mit den Fingerspitzen zu sehen und mit den Ellenbogen zu tanzen: Körper=Wahrnehmung=Bereicherung, darauf kommt es an. Auf dem Geschmack gekommen können sie dann "connecting" erproben und erleben: mit dem Partner, mit ihrer Badewanne oder auch mit der Straßenbahnfahrt frühmorgens zur Arbeit. Es kann aber auch bedeuten, dass jemand sich mit einer Frau in Irak verbindet, deren Bild er in der Zeitung gesehen hat. Ebenfalls können die eigenen Behinderungen und die der Anderen als Begabungen erlebt werden, die lustvoll verschenkt und empfangen werden können. "Connecting" schließt nicht aus, sondern ein.

Das Malen ist ein ähnlicher Prozess. Zu horchen, zu warten, in der Gegenwart bewusst zu verweilen, die Signale in und um mich aufzunehmen, offen für das Absurde zu bleiben, solche Dinge sind entscheident. Das Bild an dem ich gerade male sagt mir schon ziemlich genau, was es braucht, und die nächste Inspiration mag in der Schlange bei Aldi auf mich herabblitzen. Mir gelingt es immer öfters mein Ego am Flussufer relaxen zu lassen, während das Andere in mir malt, das Geschirr abwäscht oder auch eine Migräne bekommt. "Connecting"ist: eine jedoch uralte Erkenntnis. Im Osten heißt es Zen, bei uns gehört es in der mystischen Tradition der "Wolke des Nichtswissens". "Connecting" ist l'art pour l'art. Wie ich früher mit meinen marxistischen GenossInnen gestritten habe um diesen Begriff! L'art pour L'art ist alles andere als der ultimative Ego-Trip. Diese Lebenshaltung ist das Gegenteil von Aussteigen. Statt "copping out" tritt man in Beziehung mit der Welt, wird lebendig und DARAUS überaus-wer hätte das gedacht??-nützlich. Definiert nicht Engels so die Negation der Negation?

L'art pour'l'art...connecting... the only way to go. Josef Beuys war der große Meister in unserer Branche. Er wurde richtig gut darin bevor er starb. Daher spüren wir noch heute soviel von seiner Energie in der Welt.

Und, habe ich eine Lebensphilosophie? Klarer Fall, und dafür brauche ich nur zwei Worte:
"Just breathe"

P.S .Ich lasse nicht immer meine deutsche Texte grammatisch korrigieren. Gelegentlich habe ich das Gefühl, das die nichtkorrigierte Texte authentischer sind. Womit wir wieder "full-circle" zum Anfang dieses Vorworts angekommen sind: Fehler gehören zu mir. Ich schätze sie als wichtige schöpferische Quelle. Wie sagte es mal Ingeborg Bachmann so treffend: "Für mich hat alles Bedeutung"